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Wolle - die unterschätzte Naturfaser

Bausinger Yogamanufaktur
2024-11-28 16:13:00 / Manufaktur Nachhaltigkeit Stories / Kommentare 0
Wolle - die unterschätzte Naturfaser - Wolle - die unterschätzte Naturfaser

Ein Stimmungsbild

Vor zwei Wochen waren meine Frau und ich auf einem Netzwerktreffen für Wollverarbeitende Betriebe in Erfurt. Da wir in der Bausinger Yogamanufaktur im Jahr rund 22 Tonnen Schurwolle zu Yogamatten, Bettauflagen, Bolster- und Kissenfüllungen  (Pssst - neu auch Wollwesten, siehe Bild unten...) verarbeiten, wollen wir natürlich am Liebsten die heimische Wolle nutzen - was aber wegen der fast nicht mehr existenten Lieferkette gar nicht so einfach ist. Das Netzwerktreffen zeigte die Grenzen, aber auch Chancen des einheimischen Wollmarktes auf.

Frau mit Wollweste

Christin trägt unsere neue Wollweste

Ein Blick zurück

In den vergangenen Jahrhunderten waren Schafe im Zusammenspiel mit Ziegen und Kühe die wichtigsten Nutztiere des Menschen, welche in ganz Europa die Landschaften formten. Schafe waren dabei nicht nur Wolllieferanten, sondern versorgten den Menschen auch mit Milch und Fleisch und konnten selbst auf kargen, unwirtlichen Böden unter klimatisch schwierigen Bedingungen bestehen. Vor allem heideähnliche Landschaften wie die Lüneburger Heide, Schwäbische Alb, Küstendünen oder auch Hochgebirgsalmen bedürfen auch heute noch der regelmäßigen Beweidung von Schafen und Ziegen, damit sie nicht verbuschen und ihre Biodiversität erhalten. 

Heutzutage sind die Schafherden Deutschlands fast durchweg auf Subventionen angewiesen, da sie hauptsächlich zur Landschaftspflege notwendig sind, dazu von den Landratsämtern bezahlt und für diesen Zweck noch gehalten werden.

Schafe auf der Weide

Schafe auf dem großen Heuberg, Schwäbische Alb

Wolle als verlorener Wirtschaftsfaktor

Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war Wolle ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Von Wäschereien über Färbereien und Spinnereien bis hin zu Webereien und den ganzen nähenden Betrieben hing ein ganzer Industriezweig am Rohstoff Schurwolle. Der Maschinenbau schuf hochwertige, präzise und schnelllaufende Spinnmaschinen, Webstühle und Nähmaschinen. Mit der Erfindung von Nylon und den verwandten Polyester-Kunstfasern auf Erdölbasis sowie deren Einführung in die Textilproduktion in den 50er Jahren starb die europäische Wollverarbeitung und die verbundene Textilindustrie innerhalb weniger Jahre. Nylon war einfach sexy und modern, Wolle dagegen altbacken und rückständig - weg damit! 

Ergo wanderte die Textilproduktion aus Kostengründen nach Fernostasien ab, die hiesigen Wäschereien und Färbereien machten zu, die Webstühle wurden abgebaut und die Nähmaschinen standen still. Die Arbeitsplätze gingen verloren, die Arbeiter in den Ruhestand, die nächste Generation setzte sich dafür an einen Schreibtisch und starrte schon bald in Computer - das war der Lauf der Zeit und Resultat des Wirtschaftswunders.

Frauen vor einem Webstuhl

Blick in eine Teppichweberei

Wolle als Superfaser

Was macht denn Schurwolle als Textilrohstoff interessant? Das ist schnell beantwortet: Schurwolle ist ein natürlicher Rohstoff, der mehrere überragende Eigenschaften hat, welche industriell hergestellte Kunstfasern so nicht haben. Besondere Fähigkeiten hat die Naturfaser durch ihren Aufbau: feuchtigkeitsabweisend, selbstreinigend, hohes thermisches Isolationsvermögen, hohe Elastizität und Sprungkraft, elektrisch nicht leitend, je nach Schaf- und Wollrasse haptisch von kuschelig-weich bis hin zu griffig-robust. 

Und dann die Gesamt-Öko-Bilanz: vom lebenden Schaf per Schur kommend, auf der heimischen Wiese wachsend, dabei klimaneutral und umweltschonend - natürlich, einfach nachwachsend - super.

Wollfasern Aufbau und Eigenschaften

Wolle als Abfallstoff

Als größte Hürde in der 'Wertschöpfungskette Wolle' wird momentan die Einstufung von roher, ungewaschener Schurwolle als Abfallstoff der Kategorie K3 empfunden. Erst nach dem Durchlaufen einer Wollwäsche wird rechtlich gesehen aus dem 'Abfallstoff Schurwolle' der 'Rohstoff Naturwolle'.  Das bedeutet, daß ungewaschene Schurwolle gemäß dem deutschen Tierseuchenschutzgesetz nicht ohne vorherige Anmeldung, besondere Verpackung und entsprechender Dokumentation über die Kreisgrenzen hinaus transportiert werden darf. 

Da Wäschereien aber Wolle nur mit Abnahmezusagen von Spinnereien, Webereien und Filz- und Lodenstoffherstellern aufkaufen, haben die meisten Schafhalter damit ein großes Problem. Die heutigen Schafrassen zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie jedes Jahr geschoren werden müssen, egal ob die Schafe wegen der Landschaftspflege, der Wolle oder ihrer Milch gehalten werden. Und da es momentan keine größere Wollwäscherei mehr in Deutschland gibt, die Nachfrage insgesamt sehr gering ist, wird die frisch geschorene Wolle meist vor Ort entsorgt und untergepflügt oder verbrannt. Das ist sehr schade, aber aus wirtschaftlicher Sicht der Schäfer kaum anders machbar.

Schafschur eines Schafes

Schafschur unserer Krainer Steinschafe

Wolle als Chance

Walter Aigner, ein früherer Wollteppich-Hersteller und Woll-Aktivist aus Österreich, zeigt in seiner Doku, welche er gerade dreht (hier der Link zum Trailer https://www.youtube.com/watch?v=kXg3bAAbrWY ) die aktuelle Situation der Wollverarbeitung in Europa auf.  Es ist noch Hoffnung da und noch ist nicht alles verloren, auch wenn die verbleibenden wenigen Wäschereien, Spinnereien, Webereien und Textilbetriebe ums Überleben kämpfen. Seit Jahren gehören viel Ambition, Kreativität und Mut dazu, um gegenüber dem vorherrschenden Zeitgeist rund um Fast Fashion, Billigmode und Geiz-ist-geil bestehen zu können. 

Es wäre sehr schade, wenn das überlieferte Wissen und handwerkliche Können rund um Wolle endgültig verloren geht. Dabei haben es wir als Kunden und Konsumenten in der Hand - wir stimmen mit unseren (hoffentlich!) bewußten Kaufentscheidungen darüber ab, welche Produkte, welches Geschäftsmodell, welche Lieferkette und welche Arbeitsethik bestehen darf und welche eingehen soll.

Blick in die Bausinger Nähwerkstatt

Blick in die Bausinger Nähwerkstatt

Daher: überdenke deine Kaufentscheidungen und schenke den hiesigen und verantwortlich herstellenden Betrieben mehr 'Wert-Schätzung'. Wir alle - die kleinen Manufakturen und lokalen Dienstleister und Hersteller - leben dabei nicht von klugen Worten und guten Ideen, sondern letztlich von realisiertem Umsatz, der einen Deckungsbeitrag erwirtschaftet und von dem wir alle Gestehungskosten, Gehälter, Steuern und Abgaben bezahlen können. Und bei uns als GWÖ-bilanzierndem Unternehmen: wenn etwas übrig bleibt, dann spenden wir - zum Beispiel bei  https://www.yogahilft.com/.

Frau auf Schurwollmatte und Schurwollkissen

Wer also verantwortliche Geschenkideen rund um Yoga und Schurwolle sucht, kann auch bei uns fündig werden.
Psst - wir haben ein paar Neuheiten versteckt:
https://www.bausinger.de/Woll-Manufaktur
https://www.bausinger.de/Geschenkideen


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